2024 04 Aktueller Stand des Kläranlagenneubaus
Neubau der Kläranlage in Preetz
Bekanntlich ist die Preetzer Kläranlage an der Backwiese in die Jahre gekommen. Ihre Anfänge gehen bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts zurück. Die Instandhaltungskosten steigen seit Jahren rapide an. Ersatzteile sind für einige Anlagenkomponenten gar nicht mehr zu bekommen und müssen teilweise mittels kostenintensiver Einzelanfertigungen beschafft werden. Die Erneuerung von abgängigen Anlagenkomponenten ist auf dem bestehenden Gelände nicht oder nur noch unter extrem schwierigen Bedingungen durchführbar, ohne dass sich dadurch ein nennenswerter verfahrenstechnischer Vorteil realisieren ließe.
Da ein vollständiger Neubau mit hohen Investitionskosten verbunden ist, hatte der Abwasserzweckverband Preetz-Stadt und -Land (AZV) die Möglichkeit einer gemeinsamen Abwasserbeseitigung mit der Stadt Plön geprüft. Diese Variante wurde sowohl von der Stadt Plön als auch vom AZV verworfen, weil zum einen die zusätzlich erforderliche Druckleitung nach Plön die Wirtschaftlichkeit des Projektes in Frage stellte und zum anderen genehmigungsrechtliche Bedenken gegen eine erhöhte Abwasserableitung in den Plöner See bestanden. Darüber hinaus hatte der AZV gemeinsam mit den Stadtwerken Plön Verhandlungen mit der Stadtentwässerung Kiel aufgenommen, um eine Überleitung des Schmutzwassers beider Städte in das Kieler Sammlernetz zu vereinbaren. Dies wurde jedoch von Seiten Kiels aufgrund der großen Überleitungsmenge abgelehnt.
Aus diesem Grund hatte die Verbandsversammlung des AZV im Dezember 2020 beschlossen, die Kläranlage in weiten Teilen auf einem separaten Grundstück zu erneuern. Zu diesem Zweck konnte das unmittelbare Nachbargrundstück vom Adeligen Kloster Preetz erworben werden. Inzwischen ist das aufwändige Genehmigungsverfahren einschließlich der erforderlichen Änderung des Flächennutzungsplanes weitgehend abgeschlossen. Die Fläche – bislang als Wirtschaftswald genutzt – konnte unter Einhaltung diverser Auflagen 2023 gerodet werden und steht nun zur Bebauung bereit.
Mitte 2023 war der AZV erneut in Verhandlungen mit der Stadtentwässerung Kiel getreten, um zur Vermeidung des Kläranlagenneubaus eine Abwasserüberleitung nach Kiel – diesmal nur die Menge aus dem Verbandsgebiet – zu erreichen. Aber auch dieser Versuch scheiterte letztendlich an der zu geringen Sammlerkapazität in der Stadt Kiel, die den Antrag nach intensiver Prüfung endgültig ablehnte.
Als Folge des Russischen Überfalls auf die Ukraine und den nun seit über zwei Jahren andauernden Krieg haben sich die finanziellen Rahmenbedingungen dieses Großprojekts leider sehr ungünstig entwickelt. Zum einen sind die Baupreise seit Kriegsbeginn erheblich gestiegen und es ist schwierig, überhaupt Baufirmen für größere Projekte zu gewinnen, zum anderen hat es einen Zinsanstieg in Europa gegeben, welcher in seiner Geschwindigkeit bislang einzigartig in der Nachkriegsgeschichte ist. Im Rahmen der ersten Sondierungen 2021 waren dem AZV bei Aufnahme größerer Kreditbeträge sogar noch Zinseinkünfte in Aussicht gestellt worden. Dann erhöhte die Europäische Zentralbank im Zeitraum vom 21.07.2022 bis zum 14.09.2023 den Leitzins in rascher Abfolge von 0 % auf 4,5 %. Die inzwischen wieder erhofften Zinssenkungen blieben bislang in Europa wie auch in den USA aus.
Der AZV versucht, das Bauvorhaben soweit wie möglich vom Kommunalen Investitionsfonds (KIF) in Schleswig-Holstein finanzieren zu lassen. Ein entsprechender Antrag wurde 2023 an das Ministerium für Inneres, Kommunales, Wohnen und Sport gerichtet. Das Projekt ist seitens des Ministeriums als grundsätzlich förderfähig eingestuft worden. Eine konkrete Förderzusage, welche den Umfang und die Konditionen der Kreditgewährung beinhaltet, wird jedoch erst in diesen Tagen erfolgen.
Wie geht es nun weiter? Das Planungsbüro hat die Ausschreibung bereits vorbereitet. Zurzeit werden letzte technische Details geklärt. Sobald der KIF die Konditionen der Kreditvergabe bekannt gegeben hat, wird die Verbandsversammlung des AZV abschließend über die europaweite Ausschreibung entscheiden. Danach wird es spannend: Werden sich genügend Bieter für alle Gewerke finden? Werden die Kostenansätze eingehalten? Zurzeit geht der AZV von Brutto-Gesamtkosten in Höhe von knapp 34 Mio Euro aus – eine stolze Summe, welche die Schmutzwassergebühr spürbar ansteigen lassen wird. Andererseits handelt es sich um ein generationsübergreifendes Infrastrukturprojekt, welches aufgrund der eingangs beschriebenen Entwicklung alternativlos ist.
Auch für die Umwelt wird sich die Investition lohnen: Die Anlage wird deutlich weniger Energie verbrauchen. Wird das Abwasser derzeit noch dreimal angehoben, bevor es gereinigt in die Schwentine fließt, wird es zukünftig nur noch einmal gepumpt und fließt dann im Freigefälle ab. Die zugekaufte Energie – also die Differenz aus Bedarf und Eigenerzeugung – liegt derzeit bei 1,1 Mio. Kilowattstunden (kWh). Zukünftig wird sich diese Summe auf weniger als 0,3 Mio. kWh verringern. Zudem wird eine 4. Reinigungsstufe baulich vorbereitet. Der Baukörper wird Raum für neue Technik im Abwasserstrom bieten. Derzeit ist allerdings noch offen, was mittels einer zusätzlichen Reinigungsstufe aus dem Abwasser herausgeholt werden und wer diesen zusätzlichen Reinigungsprozess bezahlen soll – die Preetzer Gebührenzahlenden oder die Verursacher von Mikroplastik- oder Medikamenteneinträgen in das Abwasser. Erst, wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen dazu vom Bund und der EU festgelegt sind, wird auch die erforderliche Technik eingebaut und in Betrieb genommen werden können.
Der Kläranlagenneubau ist notwendig und er ist zukunftsweisend. Mit ihm legen wir heute die Grundlage für eine sichere und umweltschonende Abwasserreinigung in den kommenden Jahrzehnten.
April 2024
Gerd Schuylenburg
Geschäftsführer AZV